Sprache ist das Haus des Seins

Dies ist das Haus meines Seins. Seine Architekten sind die Vernunft, die Philosophie, der Verstand, das Gefühl und die Kunst. In diesem Haus gehen Ideen ein und aus, ich denke das darf ich behaupten. In diesem Haus ist es wahrscheinlich auch aufgeräumter als in meiner Wohnung, das liegt daran, dass ich wirklich schlecht darin bin Ordnung zu halten, und es ist tatsächlich so, dass für mich aufgeräumt das ist was andere für Chaos halten.
Soweit so gut. Aber ist dieses Haus wirklich ohne Mängel? Arbeitet mein Bewusstsein noch einwandfrei?
Lebe ich im hier und jetzt ? Im Fluss der Zeit? Oder hänge ich in Gedanken der Vergangenheit nach und richte mich nach dem was gewesen ist? Vielleicht blicke ich auch zu sehr in die Zukunft und hetze so scheinbar der Zeit hinterher ohne sie wahrzunehmen? Will ich nur ohne zu bemerken was ich schon habe?
Bilde ich mir Urteile aus nur wenigen Fakten? Schiebe ich Menschen in Schubladen bevor ich sie wirklich angesehen habe? Bin ich noch bereit neue Eigenschaften wahrzunehmen oder bilde ich mir tatsächlich ein schon alles gesehen zu haben?
Reagiere ich immer auf ein und dieselbe Art und Weise? Aus einem Reflex heraus? Nehme ich Veränderungen an anderen nicht mehr wahr? Weiß ich wirklich weswegen ich so reagiere wie ich reagiere?
Beute ich Körper, Seele und Geist wirklich aus? Verlange ich nicht eher viel zu wenig von mir? Aristoteles (zumindest laut: der Name der Rose) sagte: Wer die Natur beherrschen will, der muss erst lernen ihr zu gehorchen. Höre ich auch meinen Körper?
Genieße ich das Leben? Oder kette ich mich an Erwartungen, Forderungen und Verpflichtungen? Kann ich mir nicht selbst einen Gefallen tun und Freude daran empfinden? Wie bitte genießt man das Leben?
Spontanität scheint unerreichbar im Morast aus beklemmenden Pflichten und Aufgaben zu ersticken.
Der Alltag bringt viele Fragen und wenig Antworten. Warum so wenig Antworten? Weil selten darauf Wert gelegt wird. Mit sich selbst Zwiesprache zu halten würde bedeuten sich seiner Schwächen bewusst zu werden, sich seinen Unzulänglichkeiten zu stellen, es würde zunächst einiges erschweren ohne konkrete Aussicht auf eine Erleichterung.
Jeder Tag ist anders, deswegen werden wir auch jeden Tag ein Stückchen anders, aber wenn wir nicht aufpassen, ohne es zu bemerken.
Um ehrlich zu sein, könnte ich einige dieser Fragen längst beantworten. Andere trage ich seit Jahren mit mir herum und vermutlich weigere ich mich eine Antwort darauf zu finden. Ich verzichte an dieser Stelle aber auf jegliche Antwort.
Mein Haus wird wohl noch ein wenig auf eine gründliche Sanierung warten müssen. Ausziehen werde ich aber nicht, dazu ist es zu gut in Schuss und ich habe zuviel Pflege in die gemütlichen dunklen Ecken investiert :).
Imke-Hinrichsen - 17. Jun, 21:55
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